07. – 15.10.2011

„Passive Synthese“

mit

Molina Ghosh
Mark Matthes
Hendrik Voerkel
Robert Wegener

(Malerei/Objekte/Installation)

„Passive Synthese“

„Der Mensch ist nichts als die Verknüpfung von Verhältnissen, und sie nur sind es, die für den Menschen zählen.“ (Saint-Exupéry)

Durch die unterschiedlichen Herangehens- und Sichtweisen an das Phänomen der Wahrnehmbarkeit von Vergangenheit entsteht in der Zusammensetzung der vier künstlerischen Positionen eine „passive Synthese“.
Die vier in Leipzig arbeitenden Künstler betreiben jeweils eine Art der Spurensicherung mittels Einarbeitung von Fundstücken. In Form von Installation, Malerei und Objekten werden Modelle innerer und äusserer Wirklichkeit beschrieben, die vom universell Urbanen, oder der ostdeutschen Kultur erzählen können. Gleich einer Ruine, wird ein fragmentarischer offener Raum geschaffen, in dem die Künstler authentische Spuren oder falsche Fährten hinterlassen.

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MOLINA GHOSH

Oliver Kossack
„Abdrücke des Lebens“

„Wir leiden an unserer Isolierung in der diskontinuierlichen Individualität.“
(Georges Bataille, Die Erotik)

Die Ausstellung „Im Wald sind keine Räuber“ von Molina Ghosh besiedelt den affektiven Raum zwischen Realität und Ideal. In den Objekten, Skulpturen und Fotoarbeiten der Künstlerin formuliert sich dieser durch eine äußerst subjektive Gratwanderung zwischen emotionalen Zuständen und universellem Zeichen. In „Im Wald sind keine Räuber“ treffen Modelle innerer und äußerer Wirklich- keit aufeinander. Einem Eindringen oder Verlorensein in dem dichten Wald der subjektiven Innerlichkeit, steht das Agieren oder das, sich Verlieren in der Außenwelt gegenüber. Hüllen – wie die des Hauses, der Kleidung und letztend- lich der Natur, die den Menschen umgibt – verdecken und schützen das Indivi- duum und sein inneres Wesen von äußeren Einflüssen. Gleichzeitig bieten sie dem Menschen sinnliche Zwischenräume und sensitive Schnittflächen, in denen er auf die Welt reagiert und in denen intersubjektive Kommunikation und soziale Interaktion stattfinden.
Das Bild gibt die Realität wieder, dient aber auch der Realität als Modell. Das Eigene drückt sich am Anderen ab. Das Andere ernährt, durchdringt und trägt das menschliche Subjekt, welches, wie in der Skulptur „Maß“ in die Welt ge- worfen ist und mit ihr klarkommen muss. Die Natur, als Triebkraft allen Lebens, trägt den Menschen, lässt ihn wachsen und treiben, mitunter bis an die physi- schen Grenzen des Seins – und darüber hinaus, in Bereiche der reinen Seele.
In der Installation „Haus“ schwebt ein, aus alten Häusern und Fabriken ge- borgenen Holzbrettern zusammengesetzter, Baukörper leicht über dem Boden. Ohne Fundament, Fensterlos und mit verriegelter Tür, schwebt das Haus in einem Zustand der prekären Balance: die gewisse Leichtigkeit dieser Situation entsteht natürlich nur durch den ausgelagerten Ballast am anderen Ende des Seils, der als Gegengewicht vitaler Bestandteil der Gesamtkonstruktion ist.
Mit seismographischem Gespür findet Molina Ghosh Objekte, Sinnbilder, um mit den eigenen Widersprüchen beim Überwinden der Kluft zwischen Ideal und Realität produktiv umzugehen.

Molina Ghosh, „Haus“, 2011

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MARK MATTHES

Die Phänomene der Informationsüberlagerungen und der stadträumlichen Schichtungen von Formen sind grundlegend für die Kunst von Mark Matthes. Harte Kanten und weiche Übergänge, Brüche und Additionen, realistisches Abbild und abstraktes Zeichen überlagern sich in seinen synthetischen Stadtportraits vor und hinter einem durchsichtigen Bildträger. So lassen die Raumschichten die Wahrnehmung über die verschiedenen Ebenen des Materials zu einem eigenen multiperspektivischen Bildraum finden. (Hajo Schiff)

Mark Matthes, o.T., 2010
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HENDRIK VOERKEL

Hendrik Voerkel hinterfragt in seinen Ölbildern die gebauten Lebenswelten zeitgenössischer Stadträume. Gezeigt werden entvölkerte Großstadthüllen, in welchen den modernen, funktionellen Gebäuden zugleich etwas ruinenhaftes zufällt. Es sind Raumerscheinungen der globalisierten Großstadt, die sich wiedererkennen aber nicht verorten lassen. Die Kombination von aus scharfkantigen Flächen zusammengesetzter Architektur und zum Teil bonbonfarbener pastoser Materialität lässt die Stadtbilder in der Balance zwischen real erscheinender Raumsituation und Spielzeug-Künstlichkeit. Das mitschwingende Entfremdungsgefühl und die unterschwellige Unheimlichkeit der menschenleeren Stadträume erzeugen eine unbehagliche Grundstimmung

Ghosttown Electric, 2009, 140 x 190 cm

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ROBERT WEGENER

Der Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit Robert Wegeners bezieht sich auf die DDR-Kultur, die Vergangenheit und deren Nachwirken auf die Gegenwart. Das Sammeln und Ordnen, Analysieren und Archivieren als Handeln bestimmen diese Arbeitsweise.
Durch wissenschaftliche Methoden der Archäologie wie Ausgrabung, Datierung, Dokumentation und Archivierung, die wiederum durch künstlerische Methoden der Manipulation, absurde Neukombinationen, Isolation oder Nachahmungen aufgebrochen werden – entsteht ein subversives rereading von Zeichen, die ihre ursprüngliche Herkunft zwar nicht verleugnen, aber im neuen Kontext andere Bedeutungsebenen entfalten und Einsichten vermittelt.
Die dabei angesprochenen Themen sollen in die Tiefen und Zwiespälte menschlichen Handels weisen, damit die Arbeiten immer wieder zur Auseinandersetzung mit der eigenen sozialen Identität anregen.


Robert Wegener, Russische Zeitungen, 2008, 450 x 270 cm

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